Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Sozialwissenschaften
Projektseminar: Politische Rationalitätsprobleme und Bedingungen der Möglichkeit anspruchsvoller Reformen I
SS 2002
Verfasser: Christopher Eble (Ergänzungen H.W.)
 

Sitzungsprotokoll vom 22.04.2002

Tagesordnungspunkte

Top1 Diskussion des Textes „Reformakteure in der Konjunkturfalle - Zur gegenläufigen Entwicklung von theoretischem „Wissen“ und praktischem Wollen.“ (Wiesenthal 2002)
Top 2 Erläuterungen zur Literaturliste
Top 3 Erstellen eines Arbeitsplanes für das Semester
Top 4 Arbeitsvergabe
Top 5 Verschiedenes
 
 

TOP 1  TEXTDISKUSSION

a) Diskussion über das Modell zyklischer Prozesse politischer Themenkonjunkturen:

- Frage nach Konsequenzen und Bedeutung dieser Zyklen und danach, wie sie sich im Bewusstsein politischer Akteure evtl. wiederspiegeln können. Es wurde die These vertreten, dass die langwelligen Grundschwingungen am wenigsten, die kurzen Wellen aber das höchste bewusste Aufmerksamkeitspotential auf sich vereinnahmen.
- Im weiteren Verlauf wurde dieses Konstrukt der „issue cycles“ härteren Nachfragen unterzogen (Wie steht es um die mögliche Parallelität von Wellen, oder gibt es so etwas wie Minima oder Maxima?)

> Wir stellten fest, dass dieses Modell einen nur begrenzten heuristischen Wert besitzt, bei der ersten Orientierung nach Aussagen über die Lebensdauer und Wirkung politischer Themen aber durchaus hilfreich ist.

b) Diskussion über den Textabschnitt „Die Idee der historischen Reform“:

- Es wurde noch einmal auf die Diskrepanz zwischen politisch Handelnden auf der einen und der Sozialwissenschaft auf der anderen Seite hingewiesen. Während diese schon Anfang der 70er in unterschiedlichen Färbungen das „Unmöglichkeitstheorem“ theoretisch aufbaute und auf die Komplexität und schiere Unmöglichkeit anspruchsvoller Politikgestaltung hinwies, blieben besonders die Parteien des linken Spektrums und hier besonders die GRÜNEN bis in die 80er und 90er Jahre der Vorstellung der Machbarkeit großer gesellschaftlicher Reformen verhaftet.
- Die GRÜNEN entwickelten sich entgegen der wissenschaftlichen Skepsis gegenüber der Realisierbarkeit großer gesellschaftlicher Reformen zu einer Partei respektabler Größe.

c) Zum Abschnitt „Die wissenschaftliche Reformskepsis“:

- Es folgte eine jeweils knappe Rekonstruktion der theoretischen Argumente warum ein völlig rationale und planbare Steuerung seitens des politischen Systems nicht, oder nur äußerst unwahrscheinlich möglich:

o Policy-Komplexität (Lindblom, Scharpf,...):
Die These des „muddling through“ als Instrument politischen und verwaltungstechnischen Handelns wurde diskutiert und ansatzweise auf seine Richtigkeit hin geprüft.
o „Bounded Rationality“ (Simon à mehr dazu am 06.05.2002)
o Neo-Institutionalismus (à mehr dazu nächste Sitzung)
o „Social Choice“ (Arrows, Condorcet) und „Collective-Action“ (Olson)
Hier wurde nochmals die Problematik der Herstellung einer kollektiven Rationalität diskutiert, sowie die Schwierigkeit geeignete Entscheidungs- und Aggregationsverfahren zu finden, die den Rationalitätsgrad politischer Maßnahmen erhöhen.
o Systemkomplexität (Luhmann, Popper, Offe)
o Systemsteuerung (Willke, Burth/Görlitz)
Hier wurde etwas genauer auf Willkes Konzept der Kontextsteuerung eingegangen
o Pfadabhängigkeit

- Zusammenfassend lässt sich sagen, das all diese Theorien den Hauptkern der wissenschaftlichen Skepsis bzw. des sog. „Unmöglichkeitstheorems“ darstellen.
- Wichtig zu erwähnen ist, dass alle Theorien and Ansätze mehr oder weniger empirisch gestützt sind. Besonders die Positionen der „bounded Rationality“ und des Inkrementalismus besitzen ein starkes Maß an Validität, was durch Forschungsleitungen amerikanischer Provenienz im Bereich der Verwaltung und Unternehmen erreicht wurde.

d) Zum Kapitel „Zwei Beispiele erfolgreicher Großreformen“:

- Die Runde diskutierte die Stichhaltigkeit der aufgeführten Beispiele (Begründung moderner Sozialstaatsinstitutionen und die mehr oder weniger erfolgreiche Transformation post-sozialistischer Staaten) als Beweis der Möglichkeit anspruchsvoller Reformen:
o Verschiedene Teilnehmer äußerten bedenken gegenüber dem verwendeten Begriff von „Reform“.
o Es wurde deutlich, dass für den weiteren Verlauf des Projektseminars geklärt werden muss, welcher Art von Reformen (institutionelle Veränderungen oder Policy-Programme) man sich zuwendet und innerhalb welcher Umstände (Gesellschaften mit relativ stabilen institutionellen Verhältnissen oder radikale Umbruchsituationen).
o Zwar bezieht sich die Skepsis der o.g. Theorien wohl auf beide Situationen, doch im Seminar wurde festgelegt, dass Transformationsgesellschaften bzw. radikale Umbruchsituationen als Untersuchungsgegenstände für die Suche nach evtl. Belegen für eine Falsifikation oder Modifikation des „Unmöglichkeitstheorem“ ausgeklammert werden sollen.

TOP 2 LITERATURLISTE

(keine nennenswerte Ergebnisse dazu)
 

TOP 3 ARBEITSPLAN

> Als vorläufiger Arbeitsplan wurden folgende Schritte festgelegt:

- In den noch zur Verfügung stehenden 11 Sitzungen im Sommersemester sollen die verschiedenen Positionen der systematischen Zweifel an der Machbarkeit holistischer Reformen vertiefend behandelt werden. Es soll darum gehen, den „Gegner besser kennen zu lernen, um in an seiner stärksten Stelle treffen zu können.“ Folgende zeitliche Aufteilung wurde dafür beschlossen:
o 1. - 5. Sitzung:  4 SWS
o 6. - 11. Sitzung: 2 SWS

> Eine detailliertere Planung erfolgt in den kommenden Sitzungen. Besonders zu der Frage, welche Art von Fallbeispielen als „erfolgreiche Reformen“ gelten können, um dann Bedingungen der Möglichkeit anspruchsvoller Reformen benennen zu können. Es geht also um die Erarbeitung eines gemeinsamen methodologischen Vorgehens.
 

TOP 4 ARBEITSVERGABE

Für Mo. 29.04.2002:
- Referent: Stephan Grohs zum Thema Neo-Institutionalismus
- Gesprächsleitung: Holger Döring
- Protokoll: Julia Czaya

> Aufgabe für alle Teilnehmer: Lektüre von March, James G.; Olsen, Johan P., 1984: The New Institutionalism: Organizational Factors in Political Life. American Political Science Review, 78 (3), 734-749.

Für Mo. 06.05.2002:
- Referentin: Julia Czaya zum Thema „Bounded Rationality“ (Text wird noch bekannt gegeben)
- Gesprächsleitung: Mathias Krüger
- Protokoll: Sebastian Wolfrum

Für den 13.5.2002 wurden auch schon Gesprächsleitung und Protokoll vergeben:
- Referent/in:
- Gesprächsleitung: Lena Ruthner
- Protokoll: Wenke Seemann

> Generell sind alle Teilnehmer dazu angehalten, die Augen nach möglichen Reformbeispielen als mögliche Fallstudien offen zu halten und sich auch Gedanken über die weitere Gestaltung des Seminars zu machen.

TOP 5 VERSCHIEDENES

(kam nicht mehr zur Sprache)
 


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rev. 30.04.2002
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