Die politische Organisation des Unwahrscheinlichen. Sozialtheoretische Lehren der Transition vom Sozialismus

 
Helmut Wiesenthal

 
Aus: Hinrichs/Kitschelt/Wiesenthal (Hg., 2000: Kontingenz und Krise. Institutionenpolitik in kapitalistischen und postsozialistischen Gesellschaften. Claus Offe zu seinem 60. Geburtstag. Frankfurt/New York: Campus, S. 189-217.

 
1. Einleitung[1]
Wie vorauszusehen wurde die Transformation der sozialistischen Länder ein attraktiver Gegenstand sozialwissenschaftlicher Reflexion und Forschung. Ließ sich bereits die deutsche Einheit als »sozialer Großversuch« (Giesen/Leggewie 1991) und »natürliches Experiment« (Offe 1991a) charakterisieren, so gilt das umso mehr für die ebenso ambitionierten Transformationsprojekte östlich von Oder und Neiße. Nicht weniger als 29 Länder der ehemals »Zweiten Welt« unterzogen sich im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts tiefgreifenden Wandlungen ihres politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systems.[2] Zwar entbehren sie alle jenes Maßes an externer Unterstützung und Erfolgsgewähr, das bei der Transformation der DDR wirksam wurde, doch teilen die Reformeliten dieser Länder mit den Protagonisten der deutschen Einheit dieselben Ziele der institutionellen Modernisierung und nachhaltigen Wohlstandsmehrung.

Nie zuvor hatten die empirischen Sozialwissenschaften Gelegenheit, eine solche Serie simultaner Wandlungsprozesse zu studieren. Ihre Theorien des sozialen Wandels konnten zwar auf phänomenologische bzw. strukturelle Gemeinsamkeiten verschiedener ungleichzeitiger Fälle rekurrieren, aber erst die gleichzeitigen Transformationen sozialistischer Gesellschaften bieten die Möglichkeit, systematisch zwischen länderspezifischen Bedingungen auf der einen Seite und projektspezifischen Faktoren auf der anderen zu differenzieren. Mit etwas Optimismus ließe sich die Erwartung begründen, daß die Wissenschaften von der Gesellschaft und der Politik dadurch in die Lage versetzt würden, das Wissen über die Möglichkeit »großer« Reformprojekte systematisch zu erweitern.

Diese Erkenntnisoption fand allerdings in der Transformationsforschung des vergangenen Jahrzehnts noch kaum Beachtung. Statt dessen dominieren drei andere Forschungsperspektiven. Viele frühe Analysen waren im Umkreis eines »Komplexitätstheorems«angesiedelt. Sie rückten die anspruchsvollen Voraussetzungen und die Vieldimensionalität des Projektes einer umfassenden Gesellschaftsreform in den Blick. Das Versprechen eines kompetenten »institutional engineering« wurde beim Wort genommen und mit Erkenntnissen über die begrenzte Steuerbarkeit komplexer Wandlungsprozesse konfrontiert. Die Problemanalyse war notwendigermaßen prospektiv angelegt und mündete in der Darlegung erheblicher Erfolgsrisiken, wenn nicht gar des notwendigen Fehlschlags eines so ambitionierten Vorhabens. Prominentestes Beispiel ist das »Dilemma der Gleichzeitigkeit« (Offe 1991b) von politischen und ökonomischen Reformen. Ohne prognostischen Anspruch präsentieren sich zahlreiche Fallstudien zum Transformationsschicksal einzelner Länder oder Wirtschaftssektoren. Sie geben Einblick in Transformationsvoraussetzungen, -prozesse und -folgen, aber die Fülle empirischer Details vermittelt nicht selten den Eindruck der »Überdetermination«. Was als Erklärung des Einzelfalls taugt, liefert nicht immer Erklärungshypothesen für andere Fälle. Oft bleibt im unklaren, welche Kausalfaktoren dem besonderen Gegenstand und welche Sachverhalte der Transformation zuzurechnen sind.

Etliche der frühen Transformationsstudien teilen die Annahmen des Komplexitätstheorems, aber begnügen sich mit dem Nachweis mangelhafter, verfehlter oder sonstwie als ungünstig gewerteter Resultate. »Kalamitätendiagnosen«dieser Art sind oft speziellen Transformationsproblemen, z.B. der Privatisierung der Unternehmen oder der Konsolidierung des Parteiensystems, gewidmet. Dabei heben sie auch auf die Diskrepanz zwischen offiziösen Reformprogrammen auf der einen Seite und unbefriedigenden Ergebnissen auf der anderen ab. Tatsächlich läßt sich nirgendwo ein rundum perfekter und nachteilsfreier Systemwechsel ausmachen. Vielmehr wurden allerorten »Transformationskrisen«»institutionelle Schwächen« und »sozialstrukturelle Verwerfungen« (Müller 1998) beobachtet.

Trotz ihrer Ähnlichkeit sind das Komplexitäts- und das Kalamitätentheorem von ungleichem Wert, wenn es darum geht, den theoretischen Ertrag der Transformationsforschung verfügbar zu machen. Die Kalamitätsdiagnose verfügt über keinen Maßstab, der es gestattet, defizitäre Transformationsresultate mit jenen Funktionsdefiziten und Performanzmängeln zu vergleichen, die analoge Institutionen der konsolidierten Demokratien auszeichnen. So entgehen dieser Forschungsperspektive wichtige Charakteristika der Transformationen. Demgegenüber stützt sich das Komplexitätstheorem auf empirische und theoretische Erkenntnisse, die in konsolidierten Demokratien gewonnen wurden und Vorhersagen erlauben. Ihnen zufolge besitzt das Transformationsprojekt ungünstige Erfolgsaussichten, weil es alle Maßstäbe des politisch »Machbaren« sprengt, sei es aufgrund des schieren Umfangs der Transformationsaufgaben, sei es infolge der Unausweichlichkeit des Dilemmas der Gleichzeitigkeit. Mit dem Anspruch der Verwirklichung eines integrierten und ex ante formulierten Plans (blueprint approach) handele sich das Projekt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Serie »schwerer Ausnahmefehler«[3] ein, welche ein harmonisches Zusammenwirken der diversen Teilreformen vereiteln und den Reformprozeß zum Erliegen bringen bzw. wiederholte Neustarts erzwingen würden. Eine derart präzise Hypothese behält ihren Erkenntniswert auch, wenn die Prognose scheitert. Lassen sich die zugrundeliegenden Annahmen und Wirkungsbeziehungen rekonstruieren, so ist es möglich und sinnvoll zu prüfen, welche mit empirischen Merkmalen des Testfalls übereinstimmen und welche nicht. So bietet das Komplexitätstheorem eine über die enge Fragestellung der Transformationsforschung hinausreichende Perspektive.

Am Ende eines Jahrzehnts umfangreicher und intensiv beobachteter Transformationen genügt bereits gelegentliche Zeitungslektüre, um sich vom Scheitern der Mißerfolgsprognosen zu überzeugen. Gewiß sind die Reformländer mit einer Fülle von erwarteten und unerwarteten Problemen geschlagen, die einen unerschöpflichen Fundus für fundierte Kalamitätsdiagnosen abgeben. Doch steht außer Frage, daß ein Großteil der vollzogenen bzw. in Gang gesetzten Wandlungsprozesse die angestrebten Resultate zeitigt. Die »dual transition« zu Demokratie und Marktwirtschaft fand vielerorts in einer Weise statt, die es erlaubt, die Intentionen in den Ergebnissen wiederzuerkennen. Diese Beobachtung hat nicht nur als Befund der Transformationsforschung Bedeutung, vielmehr indiziert sie einen beträchtlichen, wenngleich noch nicht ansatzweise ausgeschöpften theoretischen Erkenntnisgewinn. Gelänge es, die der skeptischen Prognose zugrunde liegenden Annahmen mit den tatsächlichen Bedingungen der Möglichkeit des politisch gesteuerten Systemwandels zu vergleichen, so ließen sich wertvolle Einsichten in die Realisierbarkeit komplexer Reformprojekte gewinnen. Auf einer abstrakteren Ebene wäre es u.U. möglich, die Dimensionen des Raums politischer Möglichkeit auszuloten und genauer zwischen vorstellbaren, aber unrealisierbaren Zukünften und solchen Zuständen oder »möglichen Welten« zu unterscheiden, die unter bestimmten, und sei es nur ex post angebbaren Bedingungen auf den Pfaden des intentionalen Handelns erreichbar sind.[4]

Zum Zwecke einer solchen Ausbeutung der unverhofften Erkenntnisoption wird zunächst der theoretische Hintergrund skeptischer Erfolgshypothesen erhellt (Teil 2) und anhand der Transformationsproblematik exemplifiziert (Teil 3). Sodann werden einige Befunde der empirischen Forschung resümiert, die sich zur Evaluation der Prognose eignen (Teil 4). Die Ergebnisse dieses Tests gestatten nun eine Bewertung der ursprünglichen Annahmen (Teil 5).
 
 

2. Das Unmöglichkeitstheorem holistischer Reformen
Der Kollaps der sozialistischen Regime kam nicht nur für die Regierungen der westlichen Welt unerwartet. Sowenig wie die NATO, die EU oder die G7-Staaten auf den plötzlichen Wegfall der externen Systemalternative vorbereitet waren, so überrascht waren die Sozialwissenschaften vom Auftauchen der Gelegenheit, ihre Konzepte und Theorien zu testen. Die Idee, die unerwarteten Ereignisse zum Gegenstand systematischer Untersuchungen zu machen, ist auch heute beileibe noch nicht Gemeingut der Transformationsforschung. In den ersten Jahren waren nicht Kausalerklärungen, sondern Beschreibung und Kommentierung gefragt. Angesichts grassierender Simplifikationen und überoptimistischer Szenarien ökonomischer Provenienz sahen sich Soziologie und Politikwissenschaft v.a. als Beobachter und Warner gefordert. Undenkbar war es, daß Sozialwissenschaftler eine positive Strategie der Transition entwickelt und etwas Vergleichbares zu »My Plan for Poland« (Sachs 1989) vorgelegt hätten.

Die unterschiedlichen Herangehensweisen an das phänomenologisch so reiche Feld der Systemtransformation brachten einen bis dato unbemerkten Perspektiventausch zwischen den Disziplinen Soziologie und Ökonomik an den Tag. Einst zeichnete sich die Soziologie (wie auch die soziologisch informierte Politikwissenschaft) durch ein pronociertes Interesse am sozialen Wandel und dessen Erklärung aus. Dafür waren spezielle Diskontinuitätstheorien evolutionistischer, funktionalistischer, klassen- und systemtheoretischer Provenienz entwickelt und wechselseitiger Kritik unterzogen worden. In der Hochzeit des akademischen Neomarxismus der 60er und 70er Jahre erschien die Disziplin sogar manchen Beobachtern als Heimat einer praxisorientierten »Revolutionswissenschaft«, waren doch Systemkrisen und Strategien der tiefgreifenden Gesellschaftsreform bevorzugte Gegenstände wissenschaftlicher Reflexion und soziologischer Aufklärung. Demgegenüber wirkten die Wirtschaftswissenschaften ausgesprochen »konservativ«. Ihr Zugang zur Wirklichkeit schien in vieler Hinsicht beschränkt, da ausschließlich Fragen der Funktionalität und Effizienz von Institutionen verpflichtet.

In der plötzlichen Konfrontation mit dem Realprojekt der Transition vom Sozialismus überraschte die wirtschaftswissenschaftliche Disziplin nicht nur mit einem produktiv-optimistischen Zugriff auf akute Teilaufgaben der Reform, sondern beanspruchte auch die Rolle des Generalunternehmers. Während sich Soziologen und das Gros der Politikwissenschaftler noch auf der Beobachtungsplattform der Transformationskritik einrichteten, verstanden sich Ökonomen längst als Systemarchitekten und Koordinatoren des bislang größten politischen Transformationsvorhabens.

Wie ist es zu erklären, daß die einst so wandlungsorientierten Sozialwissenschaften nicht auf den dringenden Bedarf an Transformationsplanern und change agents reagieren mochten, sondern in manchen Stellungnahmen sogar die Möglichkeit strategischer Planung ausdrücklich bestritten? Eine erste Antwort auf dieses Paradox mag vielleicht auf versteckte Sympathien für den untergegangenen Sozialismus rekurrieren, doch dafür fehlt jeglicher Beleg. Im Gegenteil, die Kritiker dezidierter Transformationsstrategien zeigten wenig Neigung, dem untergegangenen System nachzutrauern. Ihre Kritik galt nicht dem Anlaß, sondern dem Modus der Transformation, was sich im Plädoyer für emergente Entwicklungen und spontane Koordination ausdrückte.[5] Mag diese Position von naiven Annahmen über die Möglichkeit eines harmonischen Systemwechsels inspiriert gewesen sein, die Ablehnung einer dezidierten Transformationsplanung – und in der Konsequenz auch einer umfassenden Radikalreform (sog. Schocktherapie) – resultierte aus der Orientierung an Annahmen und Theorien, die in Soziologie und Politikwissenschaft als state of the art betrachtet werden.

Das Faktum einer gelingenden Systemtransformation steht in krassem Widerspruch zu allem, was in Soziologie und Politikwissenschaften als axiomatisches Basiswissen über die Möglichkeit umfassender Gesellschaftsreformen gehandelt wird. Es gab vor 1990 kein anderes Kontrafaktum – vielleicht außer der Einigung auf eine Weltregierung oder der Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise –, das als weniger »machbar« galt als das Projekt eines politisch gesteuerten Umbaus von Gegenwartsgesellschaften. Diese Auffassung gründete sich nicht zuletzt auf das empirische Scheitern des Sozialismusentwurfs und die im nachhinein erlangten Informationen über die enormen sozialen Kosten, welche die »Kollektivierung« der sowjetischen Gesellschaft verursachte. Diese historische Erfahrung konvergiert mit einer Reihe theoretischer Einsichten, die in den zwei letzten Dekaden Gemeingut wurden.

State of the art der soziologischen und politikwissenschaftlichen Reflexion auf die Möglichkeit umfassender Gesellschaftsreformen ist ein Negativparadigma der Unmöglichkeit holistischer Reformen. Seine erkenntnistheoretischen Grundlagen waren spätestens in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts komplett. Zahlreiche empirische Referenzen der prinzipiellen Reformskepsis erlangten ab Ende der 70er Jahre Prominenz und inspirierten die – nicht zuletzt von theoretischen Passionen beförderte – Annahme der Fruchtlosigkeit und Riskanz gesellschaftspolitischer Ambitionen. In dieser Einsicht konvergierten Befunde von Politikanalysen (z.B. Lindblom 1959), der empirischen Entscheidungsforschung in öffentlichen Institutionen (z.B. Cohen et al. 1972), der Analyse des Implementationsprozesses von Regierungsprogrammen (z.B. Pressman/Wildavsky 1979) und der Debatte über Grenzen der Regierbarkeit moderner Staaten (z.B. Crozier et al. 1975). Der erkenntnis- und sozialtheoretische Rahmen des Unmöglichkeitstheorems ist v.a. durch den kritischem Rationalismus Karl Poppers (Popper 1972) und die soziologische Systemtheorie (Luhmann 1981) abgesteckt.

Die axiomatische Quintessenz der empirischen Befunde und theoretischen Interpretationen, die es gestattet, dem Unmöglichkeitstheorem paradigmatischen Status zuzuerkennen, findet prägnanten Ausdruck in so bekannten Floskeln wie »the science of muddling through« (Lindblom 1959), dem »garbage can model of decision-making« (Cohen et al. 1972), der Alternativlosigkeit von »piecemeal technologies« (Popper 1972), der »Utopie der Nulloption« (Offe 1986) oder der »Tragik der toten Hände« (Luhmann 1989). Daß es sich um mehr als saloppe Formulierungen handelt, macht ein Blick auf den (erkenntnis-) theoretischen Hintergrund deutlich. Die systematische Skepsis beruht auf soliden Grundlagen in Theoremen der Mikro-, Meso- und Makroebene. Es sind dies im Einzelnen (1) die engen Grenzen individueller Informations- und Entscheidungsrationalität (Stichwort bounded rationality), (2) die besonderen Ressourcen-, Identitäts- und Strategieprobleme kollektiver Akteure (Stichwort collective action dilemma), (3) die Rationalitätsproblematik kollektiver Entscheidungen (Stichwort social choice) und schließlich (4) die Unmöglichkeit der Konstruktion einer gleichermaßen inklusiven wie instruktiven Systemrationalität (Stichwort Selbstreferenzialität sozialer Systeme). Diese Theoreme inspirierten zu Feststellungen über die Inkonsistenz langfristiger politischer Planung (Kydland/Prescott 1977) und die eng begrenzten Möglichkeiten »rationaler Politik« (Elster 1987a).

Erscheinen die Konsequenzen dieser theoretischen Perspektive schon für konsolidierte Demokratien als gravierend, so gelten sie angesichts der besonderen Bedingungen des Transitionsstarts im desolaten Sozialismus als katastrophal. Haben doch die Reformstaaten mit dem Umbau ihrer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ordnung ein Vorhaben in Angriff genommen, für das es weder historische Vorbilder noch konsistente Pläne gab. Darum sind nicht nur die prinzipiellen, in den Annahmen des Unmöglichkeitsparadigma angelegten Faktoren des Scheiterns in Rechnung zu stellen, sondern auch einige gegenstands- und kontextspezifische Hindernisse der Transformation.
 

3. Die spezielle Problematik der Transition vom Sozialismus
Tatsächlich ist die Aufgabenkomplexität mit dem »Dilemma der Gleichzeitigkeit« nur unzureichend charakterisiert. So sahen sich die neuen Regierungen vieler Länder nicht nur mit der Notwendigkeit der Systemtransformation konfrontiert, sondern waren nach der Auflösung des sowjetischen Imperiums vorrangig mit der (Re-) Konstruktion nationalstaatlicher Identität befaßt.[6]Gleichzeitig war und ist der politische Prozeß durch eine Fülle von neuartigen Themen belastet, z.B. auf den Gebieten der Sozialpolitik, der Umweltpolitik und der zur Wiedergutmachung früheren Unrechts notwendigen Restitutions- und Lustrationspolitiken.
Die transformationsbedingte Aufgabenkomplexität manifestiert sich in fünf spezifischen Risiken.

(1) Das Risiko mangelnder Voraussetzungsadäquanz wurde beispielsweise in anfänglichen Rechtsdefiziten der Transformationsstaaten deutlich, die häufig einer »Schattenrechtsordnung« der privaten (u.U. kriminellen) Selbsthilfe Raum gaben und die Ausbreitung von Klientelbeziehungen und Korruptionspraktiken ermöglichten. Folglich war ein kulturelles Voraussetzungsdefizit der neuen Institutionen zu konstatieren und es wurde die Abwesenheit einer lebendigen Bürgergesellschaft wie eines fruchtbaren Verhältnisses zwischen den Sphären des Privaten und des Öffentlichen beklagt. Da die individuellen Werte und Orientierungen sich nur begrenzt und mit erheblicher Verzögerung den neuen Formalinstitutionen anzupassen vermögen, wird die Fortgeltung »sozialistischer«oder sogar »leninistischer«Überzeugungen und darauf basierender (unrealistischer) Erwartungen festgestellt.[7] Schließlich ist das generelle Informations- und Wissensdefizit der Transformationspolitik zu erwähnen, das einerseits dem Mangel an zuverlässigen Daten über die Transformationsgesellschaft geschuldet ist und andererseits einem Defizit an verläßlichen Kausaltheorien über die Funktionsvoraussetzungen moderner Gesellschaften.

(2) Der politisch inszenierte Institutionenwandel unterliegt einem spezifischen Dezisionismusrisiko, von dem die Entstehungsgeschichte der etablierten Demokratien weitgehend frei war. Weil Institutionen nicht nur eine regulative, das soziale Verhalten sanktionierende, sondern auch eine axiologische, bestimmten Werthaltungen korrespondierende Funktion besitzen, kranken administrative Verfahren des Institutionenwandels am Problem der »Hyperrationalität« (Offe 1995). Wenn sie erkennbar das Resultat politischer Wahlentscheidung sind, erscheinen sie als willkürliche Konstruktionen. Der Kontingenzverdacht kann sowohl den funktionalen Geltungsanspruch als auch die Legitimität des Setzungsaktes untergraben. Das Risiko, daß Adressaten den Eindruck gewinnen, »das könnte man auch anders und besser regeln«, wird durch die noch unzureichende Symbolgeltung der neuen Institutionen gesteigert. Folglich ist nicht mit einer übergangslosen Ersetzung alter durch neue Institutionen zu rechnen, sondern – zumindest vorübergehend – mit einem niedrigen Niveau der institutionell vermittelten Koordination, das die Effektivität der politischen Steuerung spürbar reduziert.

(3) Es besteht ein Risiko der Mitteladäquanz aufgrund der historischen Zeitiner zum Vorbild erkorenen Institutionen. Immerhin werden die in Westeuropa etablierten Institutionen einer Reihe von Effektivitäts- und Rationalitätsmängeln bezichtigt, weshalb sie als »Lösungen« für akute Probleme umstritten sind. Das hat zwei Konsequenzen. Zum einen mag die Implementation funktionsgleicher Kopien der Vorbildinstitutionen mißlingen, weil funktional unverzichtbare Charakteristika nicht ohne weiteres identifizierbar sind. Zum anderen könnte ein perfekter Institutionentransfer die im Ursprungskontext beobachteten Funktionsmängel duplizieren. Immerhin unterscheiden sich die akuten Probleme der Transformationsländer beträchtlich von jenen, zu deren Bearbeitung vor 150, 100 oder 50 Jahren Rechtssysteme und Sozialinstitutionen »erfunden« worden sind.

(4) Wie sich im Zuge der Übernahme komplexer Institutionensysteme herausstellte, bestand aufgrund der Knappheit »sozialen Kapitals« auch ein Risiko der Ko-Innovation neuer gesellschaftlicher Formen. Das belegen die im Ergebnis so ungleichen Assoziationsprozesse im Parteiensystem und im Bereich der verbandlichen Interessenorganisation. Bei formal gleichen Startvoraussetzungen erweist sich das Parteiensystem dem Verbändesystem im Wettlauf um Organisationsressourcen und Einflußpositionen weit überlegen (Wiesenthal 1996). Parteien profitieren von der hohen Aufmerksamkeit für Wahlen und ihrer gatekeeper-Funktion für öffentliche Ämter. Da Parlamentswahlen als Wettbewerb unter der Nullsummenregel stattfinden, bleibt der Mechanismus der parlamentarischen Repräsentation von konjunkturellen Schwankungen der passiven und aktiven Beteiligungsbereitschaft unberührt. Unabhängig vom Niveau der Wahlbeteiligung sowie von der Zahl und dem Organisationsgrad der Parteien verbürgen Wahlen stets ein vollständig besetztes Parlament. Demgegenüber ist der Aufbau von Verbänden zur Vertretung von wirtschaftlichen oder beruflichen Interessen erheblich schwieriger. In Ermangelung vergleichbarer externer Anreize bleibt er mit Kollektivgutproblemen belastet, die nur unter Inkaufnahme von Zielverschiebungen (als Folge des Rückgriffs auf selektive Anreize) überwindbar ist. Weil das Verbändesystem weder von den pulls einer attraktiven Gelegenheitsstruktur noch von pushes selbstbewußter Partikularinteressen zu profitieren vermag, wirkt es schwach, fragmentiert und wenig repräsentativ. Es eignet sich darum weder zur Vertretung funktionaler Interessen im politischen System noch zur Übernahme regulativer Aufgaben i.S. der sektoralen Selbstverwaltung.

(5) Noch gravierender als die o.a. Risiken schien das Problem der »dualen Transition«. Es macht die Transition vom Sozialismus zu einem konzeptionell und historisch einzigartigen Projekt. Der auch als »transitional incompatibility« (Armijo et al. 1995) bezeichnete Sachverhalt beruht auf der Interferenz ökonomischer und politischer Prozesse. Da die Demokratisierung zu einer enormen Ausweitung der Chancen politischer Partizipation und korrespondierender Gewinnerwartungen führte, stand zu befürchten, daß sich die Kostenträger der ökonomischen Reformen zusammenschließen, um die sie benachteiligenden Maßnahmen abzuwehren. Je schmerzhafter die Reformkosten empfunden werden und je größer die Responsivität des politischen Systems ist, desto sicherer drohe eine Vertagung oder Unterlassung von unverzichtbaren Elementen des Reformprogramms. Gelänge es nicht, die ökonomisch diskriminierenden Teile der Reform gegen ein demokratisches Veto abzuschirmen, so geriete die Politik in das Dilemma der Gleichzeitigkeit.

Die dem Dilemmatheorem zugrunde liegenden Annahmen sind historisch evident. Während es in den konsolidierten Demokratien Westeuropas erst nach der Durchsetzung von Arbeitsmarkt und Lohnarbeiterstatus zur Universalisierung demokratischer Partizipationsrechte kam, ist in der Politischen Ökonomie der Transformation unterstellt, die »Vermarktlichung« der Wirtschaftsweise und die »Proletarisierung« der Bevölkerung kämen als Ergebnis demokratischer Mehrheitsentscheidungenzustande. Das ist zumindest als problematisch anzusehen. Zum einen scheint der ökonomische Erfolg der Transition von der Überwindung einiger Ausgangsbedingungen abhängig, die mit Privilegien sozialer Gruppen assoziiert sind. Zum anderen ist die Konsolidierung des demokratischen Systems an eine »sozial tragbare« Verteilung der Kosten und Gewinne der Wirtschaftsreform gebunden, was der Reformpolitik nicht nur Legitimationspflichten auferlegt, sondern auch die vorausschauende Berücksichtigung der möglichen Reaktionen betroffener Gruppen.

Vor dem Hintergrund dieses dilemmatischen Sachverhalts wurde die Kontroverse Schocktherapie versus Gradualismus ausgetragen. Die als Schocktherapie bezeichnete Strategie sieht vor, alle weichenstellenden Maßnahmen frühzeitig und möglichst auf einen Schlag vorzunehmen, um den raschesten und kürzesten Pfad durch das »Tal der Tränen« (Sachs 1991) einzuschlagen. Die Alternative des schrittweisen Vorgehens entbehrt eines analogen Erfolgsprinzips, aber verspricht geringere Risiken und soziale Nachteile aufgrund der Möglichkeit, die einzelnen Maßnahmen nacheinander und in feinerer Dosierung zur Geltung zu bringen. Weil die »radikale« Vorgehensweise durch Informations- und Wissensdefizite gehandikapt zu sein scheint, wird befürchtet, daß ihr Nutzen einem »law of diminishing marginal productivity of change« (Murrell 1993: 222) unterliegt: Je mehr die Reformer mit einem Schlag zu verändern trachten, desto weniger werden sie im Endeffekt erreichen.

Die Alternative des Gradualismus schien v.a. durch das Risiko der Vertagung sachlich gebotener Maßnahmen gefährdet. Eine zeitlich ausgedehnte Sequenz zusammengehöriger Reformschritte stellt extrem hohe Ansprüche an die Handlungskompetenz und Glaubwürdigkeit der Reformer, die sich im Interesse des Erfolgs zur »termingerechten« Vornahme bestimmter Handlungen verpflichten müssen, ohne sich dabei von der wechselnden politischen Konjunktur irritieren zu lassen. Während eine die Schocktherapie bevorzugende Regierung annehmen darf, mit den eingeleiteten Maßnahmen auch eventuelle Nachfolger zu binden, müssen Gradualisten darauf bauen, daß die Wähler in der ausgedehnten Periode gemilderter Nachteile nicht ungeduldig werden, sondern die Reformer, wenn deren Amtszeit abgelaufen ist, durch Verlängerung des Mandats zu honorieren bereit sind.

Solange noch wichtige Weichenstellungen ausstehen, wird das Erfolgsrisiko auch durch die Verteilung der Reformkosten und -gewinne bestimmt. Fallen die Kosten relativ frühzeitig und konzentriert an (z.B. zu Lasten der Beschäftigten der Staatsunternehmen), während die Gewinne erst spät und breiter verteilt auftreten, haben die Kostenträger der Reform gute Chancen, sich zu wehren. Die »Logik des kollektiven Handelns« versieht sie mit einem Organisationsanreiz, der sich in eine günstige Verhandlungsposition ummünzen läßt. Gut organisierte Sonderinteressen mögen dann womöglich Kompensationen erkämpfen, die den Fortgang der Transformation belasten. Zum selben Ergebnis führt u.U. schon der demokratische Parteienwettbewerb, wenn sich eine Mehrheit der Wähler Parteien zuwendet, die keine Skrupel haben, eine »kostenlose« Transition zu versprechen. Sehen Reformpolitiker ihr Schicksal jedoch auch von Reformerfolgen abhängig, so können sie Interessenten und Wählern nur begrenzt nachgeben. Damit ein Scheitern der Reform nicht der Regierung angelastet wird, ist ggf. der Wechsel zu einer härteren Gangart nötig. Somit scheint »demokratische« Transformationspolitik derselben Logik des »political business cycle« zu unterliegen wie Reformvorhaben in konsolidierten Demokratien.

Nimmt man die Rede von einem Dilemma der Transformationspolitik ernst, so verbietet sich die Frage nach einem »Mittelweg«, vielmehr sind die Akteure genötigt, zwischen den alternativen Übeln abzuwägen. Tatsächlich wurde verschiedentlich erwogen, dem Problem durch die verzögerte und schrittweise Einführung der Marktwirtschaft Herr zu werden. Dabei war jedoch nicht bedacht, daß der Versuch, den Wegfall der zentralstaatlichen Entscheidungsmacht in der Wirtschaft durch Entscheidungen der Insider (z.B. der Belegschaften) oder des Parlaments zu kompensieren, das Problem der unzureichenden corporate governance nicht nur unverändert lassen, sondern zusätzlich vertiefen würde. Deshalb ist es unrichtig, die politische Präferenz für marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen allein auf neoliberale Vorlieben oder Zeitstimmungen zurückzuführen. Auf der anderen, der politischen Seite des Dilemmas bietet sich eine »Moderierung« der Responsivität des politischen Systems an. So gelten autoritäre Regime der demokratisch-pluralistischen Ordnung insofern überlegen, als sie eine höhere Konsistenz der Reformpolitiken, ein höheres Reformtempo und folglich raschere Erfolge versprechen. Unter der Annahme, daß (semi-) präsidentielle Regierungssysteme den Einfluß widerstreitender Meinungen reduzieren und Vetopositionen neutralisieren, wirken sie für die Abarbeitung einer anspruchsvollen Reformagenda als geeigneter denn parlamentarische Systeme und Koalitionsregierungen.

Flüchtig betrachtet scheinen die spezifischen Probleme der Transitition vom Sozialismus eine exklusive Klasse politischer Probleme zu bilden, die keinen Bezug zu den Annahmen des Unmöglichkeitstheorems holistischer Reformen haben. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß die mikrosoziologischen Annahmen des Unmöglichkeitstheorems der Unterstellung von Wissens- und Informationsdefiziten korrespondieren, der Erwartung des Steuerungsdilemmas der »dual transition« unterliegen und die Zweifel an der Mitteladäquanz nähren. Die auf der Mesoebene konstatierte Eigenlogik kollektiver Akteure speist nicht nur die Risiken des institutionellen Dezisionismus und der Ko-Innovation politischer Formen, sondern auch das Opportunismusrisiko der »dual transition«. Die Makroproblematik konkurrierender Vorstellungen von Systemrationalität kehrt schließlich im kulturellen Voraussetzungsdefizit, im Problem der Mitteladäquanz sowie in der Strategiekontroverse zwischen Schocktherapie und Gradualismus wieder. Letztere und die Autoritarismuspräferenz repräsentieren offensichtlich konkurrierende Bemühungen, den »Holismusgrad« des Transformationsprojektes zu reduzieren. Der besseren Übersicht halber sind die Korrespondenzen in Schema 1 zusammengefaßt.

Schema 1:Konkordanz der allgemeinen und speziellen Probleme der Transition vom Sozialismus
 
Allgemeine Steuerungsproblematik 
Grenzen der
Spezielles Transformationsproblem
kognitiven Rationalität
kollektiven Rationalität
Systemrationalität
Kulturelle u. institutionelle »legacies«
X
X
X
Wissens- und Informationsdefizite
X
X
Dezisionismusrisiko
X
X
Risiko der Mitteladäquanz
X
X
Risiko der Ko-Innovation
X
Problem der »dual transition«
X
X

Vor dem Hintergrund derart präzise benannter Probleme mag einleuchten, wieso die Erwartung unzureichender Transformationsresultate zur Standardhypothese der Transformationsforschung wurde und eine einseitige Wahrnehmungspräferenz zugunsten der Defizite, Unzulänglichkeiten und Perfektionsmängel begründete. Prominentester Beleg der pessimistischen default condition der Transformationsforschung ist die Konjunktur des Theorems der Pfadabhängigkeit, das in Erklärungen früher Transformationsresultate eine prägnante Rolle spielt. In der Regel genügt bereits die Feststellung von Kontinuitäten oder Persistenzen, um den Resultaten des Geschehens das Etikett der Pfadabhängigkeit anzuheften (vgl. Hausner et al. 1995; Stark 1992). Dabei dominiert die soziologische Variante des Konzepts, die in Theorien des Neo-Institutionalismus und der modernen Institutionenökonomik vorkommt. In der Transformationsforschung tritt sie als Feststellung von Hinterlassenschaften bzw. legacies of the past auf sowie in Aussagen des Typs »history matters« (vgl. Crawford/Lijphart 1997). Sofern mehr gemeint ist, als daß »yesterday’s choices are the initial starting point for today’s« (North 1998: 20), wird auf den Koordinationsvorteil etablierter und konvergierender Wahrnehmungen und Weltbilder abgestellt. Folgerichtig gelten umfangreiche Reformprojekte als unrealisierbar, »rationaler institutioneller Wandel (muß) notgedrungen pfadabhängig sein« (Richter/Furubotn 1999: 32). Die moderne Institutionenökonomik wähnt sich der theoretischen Grundlagen skeptischer Prognosen so sicher, daß sie die Transformationspolitik ausdrücklich vor einer »Neuordnung der osteuropäischen Wirtschaften durch Schocktherapie« (ebd.) warnt.
 
 

4. Resultate der Transition vom Sozialismus

 
Die pessimistischen Erfolgsprognosen wurden von der realen Entwicklung widerlegt. Zwar meistern die einzelnen Länder sowohl den Systemwechsel als auch die anschließende Transformation der gesellschaftlichen Teilbereiche auf unterschiedliche Weise, doch zeigen die Veränderungen in der überwiegenden Zahl der Fälle in die von den Reformeliten anvisierte Richtung. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern werden auf ungleiche Ausgangsbedingungen, die oft erst nach dem Systemwechsel erkennbar wurden, und das je spezifische Muster der Reformpolitiken zurückgeführt.
Die Transformation des politischen Systems und der Aufbau einer demokratischen Ordnung trugen i.d.R. »revolutionäre« Züge, auch wenn typische Elemente einer Revolution wie anhaltende Massenmobilisierung und Gewaltanwendung nur eine untergeordnete Rolle spielten. Eine positive Bilanz des Wandels zeichnete sich schon nach wenigen Jahren ab. In vielen Fällen war ein konsequenter Bruch mit dem Institutionensystem der Vergangenheit vollzogen worden; Parteien und Parlamente hatten sich zu den entscheidenden politischen Institutionen entwickelt. Nicht weniger bedeutsam, aber unauffälliger, sind die Erfolge bei der Errichtung einer rechtsstaatlichen Ordnung mit unabhängigen Verfassungs- und Zivilgerichten, die den individuellen Bürgerrechten universelle Geltung verschaffen. Auch gelangen die Etablierung ökonomisch fungibler, d.h. notwendig diskriminierender Eigentumsrechte sowie der Neu- und Umbau öffentlicher Verwaltungen.

In einer großen Zahl von Reformländern wurde das von den OECD-Staaten repräsentierte Niveau der individuellen politischen, bürgerlichen und wirtschaftlichen Freiheitsrechte erreicht. Das dokumentieren die jährlich erneuerten Ratings der Freedom House-Organisation.Sieben der 13 europäischen Reformländer, und zwar Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowenien, Tschechien und Ungarn, wird bescheinigt, das gleiche Niveau politischer Freiheit etabliert zu haben wie die konsolidierten Demokratien Westeuropas.[8] Drei Länder, und zwar Bulgarien, Rumänien und die Slowakei, rangieren auf dem niedrigeren Niveau von Chile, Griechenland, Indien und Israel. Dagegen gelten Rußland und die Ukraine als lediglich »teilweise frei« und Weißrußland als »unfrei«.[9] Die sieben Reformländer, denen bereits die Konsolidierung des demokratischen Systems bescheinigt wird, sind auch die Spitzenreiter der ökonomischen Liberalisierung. Zwölf der übrigen 15 Reformländer scheinen noch im Übergang begriffen, drei (mit Weißrußland vier) gelten als konsolidierte Autokratien.[10]

Länderstudien und vergleichende Untersuchungen einzelner politischer Institutionen liefern erwartungsgemäß ein differenziertes Bild der Transformationserfolge. So gelten die neuen Multiparteiensysteme noch nicht überall als hinreichend konsolidiert, sondern warten noch mit einer hohen Volatilität, d.h. überraschenden Wahlergebnissen auf (Bielasiak 1999). Allerdings haben sie vielerorts schon eine Phase des »institutionellen Lernens« hinter sich, in welcher die Wahlsieger eine Veränderung des Wahlrechts (electoral engineering) vornahmen, einerseits um der zunächst starken Zersplitterung des Parteiensytems entgegenzutreten, andererseits um ihre Wiederwahlchancen zu verbessern. Durch Einbau ergänzender Mechanismen (der Personen- oder Verhältniswahl bzw. von Sperrklauseln) wurde auch eine Annäherung der Mandatsverteilung an das Verhältnis der abgegebenen Stimmen erreicht. So ist v.a. in den fortgeschrittenen Demokratien eine Tendenz zu Mischsystemen mit ausgeprägter proportionaler Repräsentation zu beobachten (Bielasiak 1999).

Bemerkenswert sind einige Besonderheiten der neuen Parteiensysteme, die aber die Entscheidungsfähigkeit der Reformregierungen, z.B. in den schwierigen Fragen der ökonomischen Transformation, nicht nennenswert beeinträchtigten. So entstanden die Parteien weitgehend unabhängig von gesellschaftlichen Assoziationsbemühungen oder Interessenlagern. Es handelte sich überwiegend (eine Ausnahme ist z.B. die polnische Solidarnosc-Bewegung) um extrem mitgliederarme top down-Gründungen. Der Mangel an Organisationszeit ist v.a. der voraufgegangenen Repression und der nur kurzen Phase spontaner Bürgeraktivitäten geschuldet; er prägt bis heute die Struktur und den Kommunikationsstil der Parteien (Ágh 1998). Da die tendenziell egalitäre sozialistische Gesellschaft keine oder nur rasch obsolet werdende soziale cleavages hinterlassen hatte, mangelte es dem Parteiensystem auch an prägnanten programmatischen Differenzierungen. Schließlich besaßen die Parteien infolge der Abwesenheit repräsentativer Verbände und der Schwäche der Gewerkschaften ein Monopol auf die Artikulation und Repräsentation aller Art von Interessen (Wiesenthal 1996). Konsequenz dieser charakteristischen Startbedingungen ist eine immer noch sehr hohe Autonomie des Parteiensystems und der aus ihm heraus gebildeten Regierungen gegenüber gesellschaftlichen Gruppen und Interessen. Folglich galt für die ersten Jahre der Transformation: »The state, not society, continues to be the source of political power, and politicians seek to use its resources to mobilize political support« (Crawford/Lijphart 1995: 194)

Die Konsequenzen hoher Elitenautonomie sind ambivalent. Auf der einen Seite genossen die Regierungsparteien dank der schwachen Mitgliederbasis und der Unabhängigkeit von Verbänden, Gewerkschaften und anderen sog. Vorfeldorganisationen einen ungewöhnlich großen Handlungsspielraum. In einigen Fällen realisierten sie das Transformationsprogramm sogar zügiger als es ihnen der Wählerauftrag vorschrieb (vgl. Comisso 1997a). Was sich so förderlich auf die Konsistenz der Reformen auswirkte, korrespondierte aber auf der anderen Seite einem Defizit an demokratischer Kontrolle. Dieses vermochten die Akteure nicht immer durch erhöhtes Verantwortungsbewußtsein auszugleichen. Korruptionsanfälligkeit,[11] politische Intrigen und rücksichtslose Machtkämpfe belasteten nicht nur den Konsolidierungsprozeß, sondern bewirkten auch einen Vertrauensverlust der Wähler. Das macht sich in der geringen Akzeptanz vieler politischer Instanzen bemerkbar sowie in ambivalenten Urteilen über die Folgen des Wandels. Volle »Zufriedenheit mit der Entwicklung« des Landes, der Wirtschaft oder der Demokratie ist unter diesen Umständen nicht erwartbar (vgl. Haarland/Niessen 1998). Dennoch zeigen sich in Polen, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn mehr als zwei Drittel der Befragten als »überzeugte« oder »kritische« Demokraten. Erklärte Demokratiegegner sind mit 10 bis 12 Prozent der Befragten (lt. Plasser et al. 1997) nicht häufiger vertreten als in Italien, Spanien und Argentinien.

Ein ebenfalls differenziertes Bild ergeben die bislang erzielten Resultate der Wirtschaftstransformation. Das entsprechend der Kaufkraftparität gewichtete Pro-Kopf-Sozialprodukt der Reformländer schwankt zwischen 943 (Tadschikistan) und 10.594 US-Dollar (Slowenien). Slowenien und Tschechien befinden sich etwa auf dem Niveau von Griechenland und Portugal, während die Slowakei, Ungarn und Polen den durchschnittlichen Lebensstandard der Türkei (wieder-) erreicht haben. Im Gros der übrigen Länder (namentlich Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Rußland und Weißrußland) wird ein durchschnittliches (kaufkraftgewichtetes) Sozialprodukt um 4.000 US-Dollar pro Jahr erzielt, was dem Niveau von Entwicklungsländern wie Jordanien oder Sri Lanka entspricht. Aserbaidschan, Kirgisien, Moldova und Tadschikistan gleichen ärmeren Entwicklungsländern wie Senegal oder Nepal.[12]

Das Programm der Wirtschaftstransformation umfaßte drei Hauptaufgaben: die Herstellung und Stabilisierung wachstumsförderlicher volkswirtschaftlicher Rahmenbedingungen (makroökonomische Stabilisierung), die Liberalisierung des (mikroökonomischen) Handlungsrahmens und die Restrukturierung der Unternehmen (Balcerowicz 1995; Zecchini 1997). Die makroökonomische Stabilisierung zielte v.a. auf eine Konsolidierung der defizitären öffentlichen Haushalte und die Überwindung hoher Inflationserwartungen. Sie setzte eine umfassende Fiskalreform (Bönker 1999) voraus und ging mit dem Abbau vieler staatlicher Subventionen und einer drastischen Währungsabwertung zusammen. Im Erfolgsfall entstand ein verläßlicher Kalkulationsrahmen für mikroökonomische Entscheidungen und es entfielen Anreize zum Entsparen und zur Kapitalflucht. Die (mikroökonomische) Liberalisierung umfaßt die gesamte Palette der Handlungs- und Vertragsfreiheit, ihre bedeutsamsten Elemente sind jedoch die Freigabe der Preise und die Begründung effektiver ökonomischer Eigentumsrechte. Beides waren notwendige Voraussetzungen der Privatisierung des Kapitals, d.h. des Eigentumsübergangs der im Staatseigentum befindlichen Unternehmen.

Die Privatisierung ermöglicht die grundlegende Umstrukturierung der Unternehmen, wird aber nur dann zu einem Stimulus wirtschaftlicher Prosperität, wenn das Eigentum mit effektiver Kontrollkompetenz zusammenfällt. Da sich die Arbeitnehmer der zu privatisierenden und unter Kreditrestriktionen leidenden Staatsunternehmen mit einigem Grund als die Leidtragenden der Wirtschaftsreform sahen, gerieten Regierungen häufig unter Druck, auf strikt effizienzorientierte (und insofern konsumentenfreundliche) Privatisierungsmethoden zugunsten von Insiderinteressen zu verzichten. Allerdings wurden Regierungen, die eine Übertragung von Eigentumsrechten an Belegschaften duldeten, dafür keineswegs mit politischer Unterstützung belohnt (Frydman/Rapaczynski 1997). Vielmehr erwiesen sich die Fälle der Insider-Privilegierung als Achillesferse der Reform, weil sie einen fortlaufenden Bedarf an (Lohn-) Subventionen begründeten. Sie gingen nur dann glimpflich aus, wenn auch externe Anleger Eigentumsanteile erwerben und durch Konzentration des Eigentums für eine efektive Außenkontrolle der Unternehmensführung sorgen konnten. Der Erfolg der Privatisierung ist nicht nur an der relativen Größe des Privatsektors abzulesen, der in den meisten Volkswirtschaften zwischen 60 und 80 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht, als Erfolgsindikator wird auch gewertet, daß privatisierte Firmen ihre Produktivität innerhalb von vier Jahren drei- bis fünfmal stärker zu erhöhen vermochten als Unternehmen in Staatseigentum. Während die Produktivität des Faktors Arbeit im Privatsektor von 1992 bis 1995 um durchschnittlich 7,2 Prozent p.a. stieg, sank sie in Staatsunternehmen jährlich um 0,3 Prozent (Pohl et al. 1997).

Alle Volkswirtschaften erlebten eine Transformationsrezession bzw. ein »Tal der Tränen« (Sachs 1991). Die industrielle Produktion ging abrupt zurück und das Bruttoinlandsprodukt sank um 20 bis 35 Prozent, bevor die anhand einer U-Kurve beschriebene Erholung einsetzte. Die Abnahme der Produktion war in der Regel von einem Anstieg der Inflationsrate bis zur Hyperinflation begleitet (Zecchini 1997).[13] Auf dem Höhepunkt der Inflation war in den meisten Ländern ein Rückgang des Realeinkommens in der Größenordnung von 30 bis 40 Prozent eingetreten (Dulgheru 1999). Die im Rückblick nicht überall erwartete Rezession aktualisierte die Gefahr, daß das Reformprogramm politischen Widerstand provoziert bzw. dem »makroökonomischen Populismus« der um ihre Wiederwahl besorgten Politiker zum Opfer fällt.

Aufgrund des Widerstandes gegen die sozialen Kosten des Stabilisierungsprogramms kam es nirgendwo zur geradlinigen und restlosen Realisierung von Idealkonzepten. Im Extremfall wurde die Stabilisierungspolitik abgebrochen, was – wie z.B. im Falle Bulgariens – den Reformprozeß zum Stillstand brachte und die Transformationskrise verlängerte. Eine anhaltende Transformationsrise begründete besonders hohe Inflationserwartungen, löste umfangreiche Kapitalflucht aus und bewirkte ein hohes Zinsniveau. Für Investitionen in Sachkapital mangelte es folglich an Anreizen und Informationssicherheit. Umgekehrt ist eine rückläufige bzw. auf niedrigem Niveau stabilisierte Inflationsrate neben der Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts der wichtigste Indikator einer gelungenen Stabilisierung.

1996 hatten 19 von 26 Transformationswirtschaften die Transformationskrise überwunden und befanden sich auf einem positiven Wachstumspfad (Fischer et al. 1997). Zwar wirken die ökonomischen Fortschritte geringer als die der politischen Transformation und erscheinen auch in struktureller Hinsicht »not pervasive enough« (Zecchini 1997: 15). Doch vermochte sich die Produktion überall dort rasch zu erholen, wo günstige Bedingungen für das Wachstum des Sektors privater Unternehmenstätigkeit entstanden waren, wie z.B. in Tschehien und Polen. Auch vermochten sich die EU-Beitrittskandidaten (Polen, Estland, Tschechien, Slowenien und Ungarn) schon weitgehend den internationalen Wirtschaftszusammenhängen zu adaptieren und ihren Abstand zu den südostasiatischen Schwellenländern zu verringern.[14] Dabei wurden – bei prinzipieller Freigabe des grenzüberschreitenden Warenverkehrs – die Zollschranken zum Schutze der Binnenwirtschaft entweder beibehalten oder (in Einzelfällen) sogar angehoben.

Die strategische Alternative »Schocktherapie oder Gradualismus«spielte in der Praxis der Transformationssteuerung keine prominente Rolle. Unter den erfolgreicheren Reformländern ist keines, das einen dezidierten Gradualismus zum Programm erhoben hätte. Ebenso wenig gibt es Fälle, in denen das Radikalkonzept perfekt praktiziert wurde. Alle Länder wurden unter dem Einfluß des demokratischen Wettbewerbs auf einen mehr oder weniger suboptimalen Zick-Zack-Kurs gezwungen (Merkel 1999). Zur Wahl eines langsameren bzw. schrittweisen Vorgehens zwangen jedoch nicht die vermuteten Wissens- und Informationsdefizite, sondern sie ergab sich als »a matter of necessity« (Zecchini 1997: 30) der politischen Steuerung. Das gilt sogar für die »schnellen« Reformer Polen und Tschechien, denen attestiert wird, eine ansatzweise erfolgreiche Schocktherapie praktiziert zu haben.

Zwei Beobachtungen lassen vermuten, daß die Befürworter eines »radikalen« Ansatzes den besseren Zugriff auf die Wirklichkeit hatten. Zum einen erkannten sie im window of opportunity der Jahre 1989–91, daß die duale Transition nicht nur nötig, sondern auch möglich war. Die alternative Annahme, das Versäumte ließe sich zu einem späteren Zeitpunkt mit geringeren sozialen Kosten nachholen, erwies sich als Mythos. Zum anderen belegen vergleichende Analysen den Vorteil eines hohen Reformtempos. Je kürzer die Frist zwischen Regimewechsel und Reformbeginn war, desto rascher war die Transformationskrise überwunden und desto höher fiel die spätere Wachstumsrate aus (Beyer 1999).

Schließlich war auch eine Konzentration der Reformen auf die Startphase vorteilhaft, weil sie Koordinationsprobleme im politischen System zu vermindern half und eine höhere Zeitkonsistenz der interdependenten Maßnahmen ermöglichte. Mit der Annäherung an das Idealkonzept der Schocktherapie sanken nicht nur die sozialen Kosten, welche mit ausgedehnten Zwischenstadien verbunden waren, sondern das höhere Tempo trug auch zur Reduzierung der Unsicherheit über die anvisierten Ziele bei und minimierte die Gelegenheiten für rent seekers, sich organisatorisch zu konsolidieren. In politischer Hinsicht gestattete ein kompaktes Reformprogramm ein höheres Maß an Selbstbindung der Akteure. Waren die wichtigsten Maßnahmen bereits irreversibel gestartet, so blieben die Verantwortlichen am ehesten von der Versuchung verschont, sie um politischer Wettbewerbsvorteile willen wieder rückgängig zu machen.

Am aufschlußreichsten sind die Befunde zur Sequenzierung einzelner Maßnahmen. Zeitreihenanalysen der Reformsequenzen und der Sozialproduktentwicklung in 14 Ländern ergeben, daß das Vorziehen der Preisliberalisierung und die Vertagung der Stabilisierungsmaßnahmen mit erheblichen Nachteilen verbunden war (Beyer 1999). Wurde dagegen das Stabilisierungsprogramm gleich zusammen mit der Preisliberalisierung durchgeführt, so fiel die Rezession zwar besonders kraß aus, aber es kam danach zur rascheren Erholung der Wirtschaft. Als günstigste Kombination erwies sich die Reihenfolge »Stabilisierungsmaßnahmen vor Preisliberalisierung«. Das Timing der makroökonomischen Stabilisierung bestimmte also wesentlich Ausmaß und Tempo der wirtschaftlichen Erholung.[15]

Dieser Befund scheint auf den ersten Blick das Insidertheorem zu bestätigen, demzufolge die Kostenträger der Reform eine Kursänderung erzwingen können. Die Empirie zeigt aber, daß u.U. auch die Gewinner der Liberalisierung zum Kreis der Reformopposition zählen. Wurde den Staatsunternehmen gestattet, ihre Preise selbst festzusetzen, ohne daß zuvor mit Lohnsubventionen und großzügiger Kreditgewährung Schluß gemacht worden war, so entwickelten Management und Belegschaften ein Interesse am Aufschub bzw. der Entschärfung von Maßnahmen, die ihre privilegierte Situation beenden würden. Kam dieses Interesse tatsächlich zum Zuge, so stiegen die Kosten der makroökonomischen Stabilisierung in Gestalt der Transformationsrezession. Nur wenn der makroökonomischen Stabilisierung Vorrang vor der Privatisierung und der Preisliberalisierung gegeben wurde, blieben Rezession und Inflation kontrollierbar. Diesen Zusammenhang bestätigt die Analyse des Transformationsfortschritts in 25 Ländern (Hellman 1998). Wo die Reformmaßnahmen am raschesten implementiert wurden, fiel die rezessionsbedingte Arbeitslosigkeit niedriger aus als in Ländern mit einem zeitlich gestreckten Reformprogramm: »Partial economic reforms are shown to produce market distortions that generate a pattern of concentrated gains and dispersed losses in the short term« (Hellman 1998: 205).

Um suboptimale Ergebnisse bzw. ein Versanden des Reformprozesses zu vermeiden, hatte sich die Alternative eines »starken« Staates angeboten. Jedoch sprechen nicht nur Erfahrungen in Lateinamerika und Südosteuropa (Geddes 1995), sondern auch erste Vergleichsuntersuchungen in Osteuropa gegen die Vermutung eines generellen Autoritarismusvorteils der Reformsteuerung. Werden die Ergebnisse der ökonomischen Reform vor dem Hintergrund des Verfassungsstatus der Exekutivmacht analysiert, so schneiden gerade solche Länder schlecht ab, in denen die Regierung bzw. der Präsident den geringsten Beschränkungen ausgesetzt ist: »stronger executives are associated with less economic reform« (Hellman 1997: 33). Am ungünstigsten fiel die Bilanz aus, wo der Exekutivmacht nur für einen Übergangszeitraum Sonderrechte gewährt wurden (»stopgap constitutions«). Dieses Bild bedarf jedoch der Korrektur, sobald zusätzliche Kontextbedingungen in den Blick geraten. Werden auch die wirtschaftliche Ausgangssituation, politisch-kulturelle Traditionen und die Typik des Parteiensystems mitbetrachtet, so zeigen sich parlamentarische Regierungssysteme dort unterlegen, wo besonders ungünstige Ausgangsbedingungen mit der Abwesenheit programmatisch differenzierter Parteien bzw. einer überwiegend segmentären Differenzierung (z.B. in Gestalt von Klientelismus) zusammentreffen (Kitschelt in diesem Band).

Alles in allem bleibt zu konstatieren, daß sich die dem Dilemma der Gleichzeitigkeit zugrunde liegenden Sachverhalte als eine politisch bearbeitbare Problematik erwiesen haben. Mit anderen Worten: Gleichzeitigkeit war organisierbar; die duale Transition war möglich (Geddes 1995). Was zunächst als Dilemma erschien, reduzierte sich auf ein »problem (sic) of simultaneity« (vgl. Elster et al. 1998: 19). Gleichwohl war die Vermutung nicht falsch, daß ein nennenswerter Teil der Wählerschaft seine Stimme entsprechend einem ökonomischen Kalkül plazieren würde. Reformregierungen des Mitte-Rechts-Spektrums wurden v.a. dort wiedergewählt, wo die Wirtschaft zu prosperieren schien (Tucker 1999). Anderenfalls mußten sie postkommunistischen Nachfolgeparteien Platz machen.

5. Die Bedingungen der Möglichkeit der Systemtransformation

Angesichts einer gelungenen Umgestaltung gesellschaftlicher Institutionen ist es alles andere als naheliegend, die Resultate unter den Verdacht der Pfadabhängigkeit zu stellen. Die Liberalisierung der politischen und ökonomischen Arenen indiziert auch dann einen signifikanten Bruch mit der Vergangenheit, wenn das neue Spielfeld von »alten« Spielern besiedelt zu sein scheint. Auf der Makro- bzw. Institutionenebene der Gesellschaft scheint das Geschehen ebensowenig pfadabhängig zu sein wie im Wettbewerbsraum der Politik oder an kompetitiven Faktor- und Gütermärkten. Anderes mag auf der Meso-Ebene von Organisationsphänomenen gelten, wo Liberalisierung und Institutionenumbau nicht ausschließlich Wettbewerbsverhältnisse hervorbrachten und die Funktionsbedingungen von Organisationen typischerweise von Umweltgegebenheiten und individuellen Motiven abgekoppelt sind. Leichter fiele es, Mikro-Phänomenen, z.B. den Orientierungen und Präferenzen der Akteure, Pfadabhängigkeit zu attestieren, da die Mechanismen der Identitätssicherung per se einen starken Kontinuitätsanreiz bilden. Jedoch ist offensichtlich, daß persistente Orientierungen und Routinen den Wandel der Institutionen nicht aufzuhalten verochten, sondern in Widerspruch zu ihnen gerieten. Die persistenten Mikrophänomene mögen pfadabhängig sein, aber sie sind kaum mehr als gesellschaftlich effektiv anzusehen.

Daß der Institutionenwandel nicht durch Pfadabhängigkeit determiniert wurde, belegen eine Reihe von Untersuchungen, namentlich über die Resultate der Unternehmensprivatisierung. Nachdem den ersten Mustern der Entstaatlichung Pfadabhängigkeit attestiert wurde (Stark 1992; Hausner et al. 1995), und dieser Befund als Fingerzeig zur Interpretation weiterer legacies und Transformationsdefizite verstanden wurde (vgl. Crawford/Lijphart 1997), lassen neuere Untersuchungen diese These als unhaltbar erscheinen. Vielmehr zeigen die Privatisierungspolitiken der mitteleuropäischen Länder eine relativ große Varianz (Beyer/Wielgohs i.E.). Tschechien und die Slowakei schlugen trotz gemeinsamer Vergangenheit unterschiedliche Privatisierungspfade ein. In allen betrachteten Ländern kam es zu Beanstandungen an der zuerst gewählten Privatisierungsmethode, denen durch Ausweichen auf zunächst ausgeschlossene Verfahren begegnet wurde.[16] So ist die Privatisierungspolitik weder ein Exempel pfadabhängiger oder effizienzorientierter Entscheidungen noch das Resultat der Durchsetzungsfähigkeit privilegierter Akteure (i.S. der Public choice-Theorie). Ihre Ergebnisse entstammen vielmehr Verteilungskonflikten zwischen Akteuren mit ungleichen Präferenzen und Machtpotentialen (Allio et al. 1997).

In einigen Fällen erwiesen sich sozialistische legacies als Ressourcenpotential der Reformpolitik. Zu ihnen zählen (1) die im Grundsatz positive Einstellung der Bürger zu »starken« Regierungen bzw. einem »starken« Staat.[17] Hätte die Bevölkerung in stärkerem Maße liberal-demokratische Attitüden ausgebildet und früh zum Selbstbewußtsein einer civil society gefunden, so wären die Entscheidungsprozesse entschieden komplizierter und im Ausgang unsicherer ausgefallen. Dasselbe gilt (2) für die reformgünstige Struktur der Interessenrepräsentation. Konsensorientierte und entscheidungsfreudige Reformeliten auf der einen Seite, eine schmale und artikulationsschwache Mitgliederbasis sowie die Abwesenheit repräsentativer Interessenverbände auf der anderen Seite – dieser Umstand bedeutet nicht weniger als die Suspendierung des im Unmöglichkeitstheorem unterstellten Interessenpluralismus und damit der Lähmungswirkung von Verteilungskoalitionen. In die gleiche Richtung wirkte (3) der nützliche Mythos eines quasi-natürlichen Zusammenhangs von repräsentativer Demokratie und prosperierender Wirtschaft, der an den hohen Simplifikationsgrad von politischen Orientierungen sozialistischer Provenienz erinnert. Der Vollständigkeit halber sind noch (4) die anfänglich starke Neigung zu allgemein konsentierten Zielen und der aus der Vertrautheit mit sozialistischen Utopien resultierende Kredit für den blueprint approach der Institutionenreform zu nennen. Vorteilhaft war auch der Überraschungscharakter des Systemkollapses, der von den Reformern als »pressure to act« wahrgenommen wurde und »political capital« für ungewöhnliche Maßnahmen freisetzte (Balcerowicz 1995).

Diese und eine Reihe weiterer Faktoren entstammen unzweifelhaft einem »sozialistischen« Verursachungskontext. Sie waren eine Erbschaft von hohem transformativen Wert und halfen, ein lock-in des Ausgangszustandes zu verhindern. Vergangenheitsbedingte Umstände dieses Typs führen die Auffassung ad absurdum, nach welcher »legacies of the past« und »imperatives of liberalization« (vgl. Crawford/Lijphart 1997: 172) notwendig miteinander kollidieren und alle Überbleibsel »alten« Denkens als Reformhindernisse zu verbuchen seien. Beides ist unzutreffend.

Der Möglichkeitsraum einer Transition vom Sozialismus war größer als die theoriebasierten Prognosen erwarten ließen. Betrachtet man die Transformationsprozesse nicht nur als ein soziales Großexperiment (Giesen/Leggewie 1991) mit offenem Ausgang, sondern auch als Test auf das Unmöglichkeitstheorem holistischer Reform, so erlauben die oben resümierten Befunde eine tentative Evaluation und ggf. Präzisierung der dem Unmöglichkeitstheorem zugrunde liegenden Annahmen. Für die drei Ebenen der Analyse zeichnen sich die folgenden Einsichten ab.

(1) Die auf der Mikroebene sozialer Phänomene lokalisierten Grenzen der individuellen Informations- und Entscheidungsrationalität (Stichwort bounded rationality) sind prinzipiell überwindbar durch Rekurs auf exemplarische Prozesse und institutionelle Ordnungen. Das schließt die korrekte Identifikation der funktionswesentlichen Merkmale ein, die zum Transfer von Institutionenwissen aus einem Anwendungskontext in einen anderen notwendig sind.

(2) Was die auf der Meso-Ebene vermuteten Ressourcen-, Identitäts- und Strategieprobleme kollektiver Akteure (Stichwort collective action dilemma) einerseits und die Rationalitätsproblematik kollektiver Entscheidungen (Stichwort social choice) andererseits betrifft, ist der Untersuchungsbefund weniger überraschend. Die in den Vorhersagen unterstellten Hindernisse komplexer Reformen wurden zwar weitaus seltener und nur in rudimentärer Form angetroffen, aber scheinen prinzipiell zutreffend diagnostiziert. Daß sie nicht im prognostizierten Maße behindernd wirkten, ist der besonderen Verfassung sozialistischer Gesellschaften und speziell ihrer »Unterorganisation« zum Zeitpunkt des Untergangs zuzuschreiben. Die in differenzierten Gesellschaften mit entwickelten Assoziationsverhältnissen gesammelten Erfahrungen waren folglich nicht auf die Systemtransformation übertragbar.

(3) Schließlich war – entgegen der Prognose – auf der Makro-Ebene ein inklusives und instruktives Konzept der Systemrationalität verfügbar. Das Beispiel westlicher Demokratien konnte die Konzeptualisierung eines funktionstauglichen Gesellschaftsentwurfs anleiten, weil in ausreichendem Maße empirische Referenzen in bestehenden Institutionensystemen gegeben waren und die gleichzeitig etablierten Freiheitsgarantien und Bürgerrechte wirksame Korrektur- und Lernpotentiale begründeten. Somit waren die kognitiven Voraussetzungen komplexen »institutionellen Lernens« erfüllt und es gilt, die Annahme zurückzuweisen, daß das Selbstwissen der Gesellschaft über ihre politischen und ökonomischen Basisinstitutionen stets unzureichend sei.

(4) Eine weitere Erfolgsbedingung komplexer Reform ist im Vorhandensein politischer »skills« sowie in Gleichgewichtstendenzen der neuen Institutionen zu sehen. So zeigte der konkurrenzdemokratische Parlamentarismus eine willkommene Gleichgewichtstendenz, indem er den kollektiven Akteuren Anreize zur Allianzbildung und zur Unsicherheitsabsorption durch (z.B.) selbstinteressierte Wahlrechtsreformen verschaffte, die sodann zur Stabilisierung des Institutionengefüges beitrugen. Zum zweiten wird den Institutionen eine »sozialisatorische« Wirkung bescheinigt, welche auch eine allmähliche Schließung der kulturellen Voraussetzungslücke erwarten läßt (Crawford/Lijphart 1997).

6. Schluß

In ihrer Beurteilung des Transformationsprojektes haben sich die Sozialwissenschaften nicht durchweg als kompetente Repräsentanten des verfügbaren Wissens von der Gesellschaft gezeigt. Viele Reaktionen belegen eine Attitüde des eilfertigen Pessimismus, die ebenso fragwürdig ist wie extrem risikofreudige Umbaupläne aus ökonomischer Feder.

Ausgehend von dieser Beobachtung ließe sich auf ein wenig fruchtbares Verhältnis zwischen Wissenschaft und Gesellschaft im allgemeinen bzw. Sozialwissenschaft und Institutionenpolitik im besonderen schließen. Ist doch die sozialwissenschaftliche Präferenz, potentiellen Erfolgshindernissen des intentionalen Handelns Priorität gegenüber mutmaßlichen Erfolgsbedingungen zu geben, nur auf den ersten Blick ein Beleg hoher Verantwortungsbereitschaft. Sie konvergiert mit der fatalen Tendenz der Akteure der Wettbewerbsdemokratie, sich auf Handlungsoptionen der lokalen Optimierung zu beschränken. Aufgrund der gemeinsamen Disposition von Sozialwissenschaften und Politik, Optionen auzuschließen, die einen vorübergehenden Gratifikationsverzicht voraussetzen, kann es zur Unterausschöpfung der gegebenen Möglichkeiten kommen.

Angesichts der verbreiteten Neigung, einen theoretischen Orientierungsrahmen auch nach seiner Falsifikation beizubehalten (Tetlock 1999), ist kaum mit einem Paradigmenwechsel aufgrund der verbesserten Informationslage zu rechnen. Ohnehin nötigt der »feasibility«-Nachweis der Transition vom Sozialismus nicht, generell »großen« Projekten der Gesellschaftsreform fortan Kredit einzuräumen. Jedoch könnten sich sozialwissenschaftliche Experten aufgefordert sehen, ihre Annahmen transparenter zu machen und den Bedingungen möglicher Erfolge ebensoviel Aufmerksamkeit zu schenken wie den Ursachen möglichen Scheiterns.

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[1]Für systematische Literaturrecherchen und wertvolle Korrekturhinweise dankt der Autor Peggy Thode.
[2]Es sind dies außer der DDR: Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Estland, Georgien, Kasachstan, Kroatien, die Kirgisische Republik, Lettland, Litauen, Mazedonien, Moldova, die Mongolei, Polen, Rumänien, Rußland, die Slowakei, Slowenien, Tadschikistan, die Tschechische Republik, Turkmenistan, Ungarn, die Ukraine, Usbekistan, Weißrußland und (Rest-) Jugoslawien. Wenn man sich auf den europäischen Kontinent beschränkt und alle Länder ausklammert, deren Transformationsschicksal nachhaltig von kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt zu sein scheint, bleiben für vergleichende Untersuchungen noch 13 (oben in Kursivschrift gedruckte) Länder.
[3]Insofern erscheint das Transformationsprojekt als Pendant der überkomplexen und endogen störungsanfälligen Betriebssysteme des Typs Windows 95 und 98.
[4]Zum methodologischen Status der Begriffe »politische Möglichkeit« und »mögliche Welten« vgl. Friedrich (1963: ch. 11) und Elster (1981: Kap. 3).
[5]Vgl. Murrell (1993) sowie die Beiträge von Andreas Pickel in Pickel/Wiesenthal (1997).
[6]Vgl. von Beyme (1994: Kap. 4) und Elster et al. (1998: 17ff., 254ff.).
[7]Zum sog. »legacy«-Problem vgl. außerdem Comisso (1997b) und Geddes (1997).
[8]Länder mit einem äquivalenten Freiheitsniveau sind Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Japan (vgl. http://freedomhouse.org/survey99/tables/counrat.html).
[9]Damit liegt der Grad der politischen Freiheit in der Ukraine auf dem Niveau Brasiliens bzw. Mexikos, in Rußland auf dem Niveau Senegals bzw. Ugandas, in Weißrußland auf dem Niveau des Irans bzw. Angolas.
[10]Das sind Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan.
[11]Klientelismus und Korruption kennzeichnen v.a. die politischen Systeme Rußlands sowie der ärmeren Länder, die nach dem Zerfall der Sowjetunion entstanden sind (vgl. Ledeneva 1998).
[12]Die Daten entstammen dem Freedom House-»Table of Social und Economic Indicators« (http://freedomhouse.org/survey99/tables/socecon.html).
[13]Lt. Rostowski (1998: 3) betrug die maximale Inflationsrate in Polen (1989) 640%, in Estland (1992) 954%, in Litauen (1992) 1.175% und in Rußland (1992) 2.318%. Spitzenreiter waren die Ukraine mit 10.155% (1993) und Armenien mit 10.996% (1993).
[14]Ein erheblicher Unterschied besteht noch in der Höhe der Spar- und Investitionsquoten. Während 1994 in Tschechien bei einem Pro-Kopf-Sozialprodukt von 5.880 US-Dollar nur je ca. 20% gespart und investiert wurden, waren es in Südkorea bei einem Pro-Kopf-Sozialprodukt von nur 4.217 US-Dollar 35,8 bzw. 33,5% (Markovic 1997: Table 2).
[15]So auch Balcerowicz (1995) und Rostowski (1998).
[16]Der Prozeß des »policy learning« scheint des öfteren durch »kontra-adaptive« Präferenzen (Elster 1987b: Kap. IV) beeinflußt zu sein, d.h. durch ein Verlangen nach etwas »anderem« als dem Vorhandenen. Eine Untersuchung der Justizreformen kommt zu dem Schluß: »Institutions that allowed high degrees of judicial independence emerged in countries where the legacies entailed high levels of totalitarian politicization of the judiciary« (Magalhães 1999: 59).
[17]Dem Statement »starke Führung ist heute wichtiger als Demokratie« stimmten 1996 in Polen 55% der Befragten, in Ungarn 57%, in Tschechien 60% und in Rußland 80% zu (Haarland/Niessen 1998: 113).
 
 
© Helmut Wiesenthal 2000.
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